Die auf dem Boden Liegenden, liegen gelassenen
Eine "diagrammatische" Ausstellung in der Künstlervereinigung Maerz in Linz versammelt dokumentarisches Material von etwa 80 Künstlerinnen und Künstlern zum Thema Performance Art. Eine außergewöhnliche Herangehensweise.
Wiltrud Hackl
Wochenlang öffnete Sibylle Ettengruber fast täglich Pakete,
mit dem Postboten stand sie fast schon in einem freundschaftlichen Verhältnis,
erzählt die Künstlerin. Hätte er eine Ahnung gehabt, welche Dinge in den
Paketen teilweise zum Vorschein kamen, wäre sein Blick möglicherweise weniger
verschwörerisch freundschaftlich denn skeptisch gewesen. Haare,
Kleidungsstücke, Fotos, Dinge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben,
entnahm Ettengruber, die gemeinsam mit dem Performancekünstler Boris Nieslony
die Ausstellung kuratierte, nach und nach den Paketen. Objekte, die nun
themenspezifisch zusammengetragen wurden, in Cluster diagrammatisch an die
Wände gebracht, wie eine Versuchs- und Interpretationsanordnung. Eine
Ausstellung über Performancekunst sollte es werden, unter Einbeziehung und
Beteiligung möglichst vieler zurzeit tätiger Performancekünstler, ohne dass
diese tatsächlich als solche zu erleben sein sollten – eine Annäherung anhand
von dokumentarischen Spuren also. 76 Päckchen haben Sibylle Ettengruber, die
selbst als Performancekünstlerin tätig ist, erreicht. 76 internationale
Künstlerinnen und Künstler, die dem Aufruf gefolgt sind, Objekte beizusteuern,
die nun in 16 Segmente eingeteilt wurden. Gliedmaßen wie Beine, Hände oder
Kopf, Körperflüssigkeiten etc. Themen, die die Performancekunst als
"Bewegungsmuster" zwar bestimmen, kaum aber zuvor in einer
derartigen, fast wissenschaftlichen Anordnung zu einer Ausstellung
zusammengefasst worden sind. In jedem so entstandenen Cluster finden sich nun
Ähnlichkeiten, Abweichungen, Erinnerungen, Assoziationen - es ergeben sich fast ethnographische
Studien, die die Performancekunst nicht historisch aber dennoch in ihrer
Entwicklung begreifbar, zugänglich machen. Mehr noch ergeben die Cluster in
sich wieder Bilder, die auch Besuchern, die sich fernab von Performancekunst
oder künstlerisch-wissenschaftlicher Forschung bewegen, Assoziationsräume
eröffnen. Ergänzt wurden die zugesandten Objekte mit Versatzstücken aus der
Sammlung "Die Schwarze Lade" von Boris Nieslony. In diesem Archiv für
Performance dokumentiert der Künstler Projekte seit 1975, nie zuvor war dieses
Archiv derart ausgestellt und verwendet worden. Jedenfalls ist diese
Ausstellung eine der spannendsten des Jahres
- nicht allein zum Thema Performancekunst. Die Zusammenarbeit zwischen
unterschiedlichen Disziplinen – Bildende Kunst, Wissenschaft, Performance in
der Hand des Diagrammatikers Gerhard Dirmosers ergeben ein Gesamtkunstwerk, das
keine Leserichtung vorgibt, wohl aber eine Form des Ausstellens als
künstlerisch-wissenschaftliches Statement, wie es zwar international mittlerweile
State of the Art ist, in Linz allerdings noch kaum betrieben wird. In dieser forschenden
wie fordernden Gesamtheit wird die Ausstellung auch an anderen Orten zu sehen
sein.
Die auf dem Boden Liegenden, liegen gelassenen
Künstlervereinigung Maerz
bis 14.6.2013
www.maerz.at
Wiltrud Hackl, freie Autorin & Journalistin, Moderatorin
Künstlervereinigung Maerz
bis 14.6.2013
www.maerz.at
Wiltrud Hackl, freie Autorin & Journalistin, Moderatorin